Im Paläolithikum (Altsteinzeit) und auch noch in den Gartenbaukulturen am Anfang des Neolithikums (Jungsteinzeit) bis zur Herdenhaltung von widerkäuenden, Rohfaser verwertenden, domestizierten Tieren wie Ziegen und Schafen (ab circa 8500 v.u.Z.) und schließlich Rindern (ab 7000 v.u.Z.), die mit einem Wechsel der männlichen Ökonomie vom Jäger zum Hirten einhergeht, treffen wir auf die Vorstellung einer ausschließlich aus sich selbst Leben schöpfenden, aseitätischen Gott MUTTER. Der gesamte Kosmos wird mütterlich erfahren. Gott MUTTER ist die Mutter des Universums, sie ist Mutter Erde, Frau Mond und Frau Sonne. Sie ist aber auch die Mutter allen Lebens und natürlich auch die Mutter der Tiere. Da es trotz der Zerstörungswut des Patriarchats bis heute so viele Figurinen von ihr gibt, können wir uns auch sehr gut ein Bildnis von ihr machen.
1. Höhlen der Steinzeit als Kathedralen von Gott MUTTER
Gott MUTTER Darstellungen finden sich überwiegend in direktem Zusammenhang mit Höhlen. Höhlen sind im Paläolithikum nur selten Wohnstätten. Das häufig, auch heute noch in Filmen und Museen vermittelte Bild der Steinzeitmänner als jagende Höhlenmenschen, die sich scheinbar ohne Frauen vermehrten, weil Frauen in diesen patriarchalen Projektionen kaum vorkommen, ist nicht nur diesbezüglich, sondern auch bezüglich der Interpretation der Höhlen falsch. Natürlich nutzten die Menschen den Schutz in geeigneten, offenen Höhlen und an Felswänden (Abris), aber schon sehr früh begannen sie Hütten aus Zweigen oder aus Mammutknochen- und Stoßzähnen, sowie Tipi artige Zelte zu bauen und diese als Wohnstätten zu nutzen. Frühe Hütten wurden zum Beipiel in Prezletice bei Prag in Tschechien (600 000 v.u.Z.), in Terra Amata, bei Nizza an der Côte d´Azur in Frankreich (400 000 v.u.Z.), und in Bilzingsleben in Deutschland (370 000 v.u.Z.) verifiziert. (www.musee-terra-amata.org).
Die Höhlen der Steinzeit sind Kulthöhlen von Gott MUTTER und Zeichen einer hochentwickelten menschlichen Kultur auf der Basis eines natürlichen, mütterzentrierten Lebensverständnisses. Den paläolinguistischen Zusammenhang zwischen Frau, Höhle und Kult hat Richard Fester schon 1980 mit dem sogenannten KALL-Schema beschrieben und Monika Löffelmann hat dies weiter ausgeführt:
„Anhand der Sprachentwicklung weist die Paläolinguistik-Forschung den engen Sinnzusammenhang zwischen Höhle – Frau – Kult, enthalten in dem Ur-Wortstamm KALL nach: „Als Sinngehalte bieten sich zwei an, KALL für Frau und KALL für Höhle“. Diesen Ur-Wortstamm trägt auch das lateinische Wort Col-ere in sich. Hier verweist der Paläolinguist auf die Bedeutung des Wortes aushöhlen auf der einen und pflegen auf der anderen Seite: …“und daher stammen unsere heutigen Begriffe und Wörter „KULTUR“ und… „KULT“. Hier sind also in der Doppelbedeutung des Wortes COL-ere „Höhle“ und „Kult“ einander unmittelbar benachbart“. (Löffelmann, Monika, 1997, S. 19).
In den Höhlen finden wir neben den Gott MUTTER Figurinen viele weitere Kennzeichen für das mütterliche Verständnis der Höhlen als Gott MUTTER Kathedralen der Steinzeit. Dazu zählen die zahlreichen Vulvaritzzeichnungen, aber auch die Tatsache, dass von Handabdrücken, die ebenfalls häufig in den Höhlen zu finden sind, drei Viertel von Frauen stammen, wie der US-Anthropologe Dean Snow in den frankokantabrischen Höhlen nachweisen konnte. (der Standard.at, 16.10.2013).
2. Gott MUTTER als Mutter der Tiere
Gott MUTTER ist auch die Mutter der Tiere, weshalb viele Tiere kunstvoll als Höhlenmalereien, oft an exponierten, vulvaartigen, natürlichen Höhlenformationen angebracht sind, und inzwischen auch klar ist, dass es sich dabei nicht um Jagdheiligtümer handelt, weil es so gut wie keine Jagddarstellungen in den Höhlen gibt.
Wie in den angeführten Höhlenmalereien auf dieser Website bereits beschrieben, sind vor allem Säugetiere dargestellt, welche ihren Nachwuchs, wie die Menschen, in mütterlichen Bauchhöhlen austragen, gebären und mit ihrer Milch säugen. Mütter mit ihren einzigartigen körperlichen Fähigkeiten spielen also, wie beim Menschen auch, eine zentrale Rolle bei diesen Tierarten. Besonders häufig finden wir Pferde, Wisente (Bisons), Mammuts, Nashörner, Löwinnen oder Bärinnen dargestellt. Pferde, die häufigsten Tierdarstellungen in den Höhlen sind manchmal als trächtig zu erkennen, oder sie weisen in ihrer Fellfärbung das typische M‑Muttersymbol der gespreizten Beine der Menschenmutter bei der Geburt auf. Mammuts (Familie: Elefantenartige) und Wisente (Bisons) mit ihren typischen Mutterherden und ihren Hörnern stehen zudem nicht zufällig in engem Zusammenhang mit den Hörnern von Frau Mond und dem weiblichen, dreizehnmonatigen Jahreszeiten-Menstruationszyklus. Eine besonders interessante Darstellung von Wisenten (Bisons) im mütterlichen Kontext finden wir in der nordspanischen Höhle in Altamira, wo erwachsene Wisente (Bisons) an der Höhlendecke in Embryonalhaltung zu sehen sind und auch das T‑Symbol als Wiedergeburtssymbol, das neben dem M‑Symbol als weiterer Mutterbuchstabe bereits in vielen Höhlen vorkommt, zahlreich zu finden ist.
Gerhard Bott verweist dabei ausdrücklich darauf, dass es nicht zutreffend ist die „Mutter der Tiere“ in Verbindung mit den paläolithischen Höhlenmalereien als „Herrin der Tiere“ zu bezeichnen. Er schreibt:
„Ortsfeste Heiligtümer errichteten die paläolithischen Genossenschaften bereits im Aurignacién, vor 40 000 Jahren, indem sie ihre Kulthöhlen ausmalten und dort die „Große MUTTER“ verehrten, wie uns viele Skulpturen der Wildbeuter beweisen. Die Große Mutter wird als Mutter allen Lebens auch die „Groß-Mutter der Tiere“, die oft etwas missverständlich auch die „Herrin der Tiere“ genannt wird. Da sich Herrin von Herr ableitet, und Herr (oder Lord) mit Herrschaft verbunden ist, ist diese Bezeichnung für die paläolithische Zeit zu vermeiden; sie trifft nur auf das Neolithikum nach der Hierarchisierung zu.“ (Bott, Gerhard, Die Erfindung der Götter, 2009, S. 133).
Dass es sich in der Steinzeit nicht um eine hierarchische, von Herrschaftsstrukturen geprägte Gesellschaft handelt, können wir wiederum ebenfalls an den Bestattungen ablesen, die nicht hierarchisch, sondern egalitär erfolgte, und schon bei den Neanderthalerinnen mit Muschelbeigaben als Vulvasymbol und in Verbindung mit rotem Ocker oder Rötel zu finden sind, während die ersten hierarchischen Gräber mit dem Beginn des Metallzeitalters (Chalkolithikum, Kupfersteinzeit, 4500 v.u.Z.) zusammenfallen und als Grabbeigaben zwar, wie in Warna im heutigen Bulgarien, noch eine Muttergottheit, aber auch bereits Kupferschwerter enthielten. (Haarmann, Harald, 2005, S. 79; Bott, Gerhard, 2009, S. 317).
3. Rot – Weiß – Schwarz: Die Farben von Gott MUTTER
Die Höhlenmalereien im Paläolithikum sind in den Farben Rot und Schwarz gestaltet. Eisenoxide wurden als rote Farbe und Manganoxide oder Holzkohle als schwarze Farbe verwendet. Tatsächlich kommt in den Höhlen aber auch häufig die Farbe Weiß vor, wie an der obigen Abbildung aus der am nordspanischen Muschelweg liegenden Höhle Tito Bustillo mit den Vulvaritzzeichnungen bei Ribadesella am Atlantik schön zu sehen ist. Hierbei handelt es sich um Calcitablagerungen, die nicht zufällig auch als Mondmilch bezeichnet werden. Auf dem gleichen Breitengrad, 300 Kilometer östlich, in Aia, im spanischen Baskenland bei San Sebastian in der Tiefe des Berges Ernio, entdeckten baskische HöhlenforscherInnen sogar einen weißen unterirdischen Fluss aus Mondmilch. (Hamburger Abendblatt, 1.2.2005). Auch in der Grotte de Lascaux im Périgord in Frankreich, der Höhle mit den berühmtesten Malereien, finden wir sogar eine ganze Galerie, die den Namen Galerie du Mondmilch trägt.
Nicht zufällig sind die Farben Rot, Weiß und Schwarz die Farben von Gott MUTTER. Aber woher stammt die Assoziation dieser Farben mit dem Göttlich-Mütterlichen?
Die Farbe Rot steht für das heilige Menstruationsblut, das Voraussetzung ist, um Mutter zu werden, aber auch für das Nabelblut der Nabelschnur, der Schlange des Lebens, mit der neues Leben im Bauch der Mutter genährt wird. Rot steht aber auch für das Morgenrot der Sonne, die verlässlich nach der schwarzen Nacht jeden Morgen im Osten aus den Tiefen der Höhlen am Horizont aufsteigt, dann im Tagesverlauf weißes Licht ausstrahlt, und am Abend wieder als roter Sonnenkreis im Westen versinkt, um der Schwärze der Nacht Raum zu geben. Das ist der Grund, warum die Toten in der Steinzeit häufig mit Ocker oder Rötel bedeckt und in Richtung Osten ausgerichtet wurden, denn die Erde selbst, Frau Sonne und Frau Mond sind Bestandteil der zyklischen Wiedergeburtsreligion von Gott MUTTER. Im täglichen Kreislauf des Tages, in der Verlässlichkeit der Naturzyklen, fanden die Menschen den Trost, der ihnen die Wandlung des Todes in neues Leben anzeigte. Die Schwärze der Nacht assoziierten sie mit der Schwärze der Höhle und das Weiß der Höhlen in Form der häufigen Calcitablagerungen mit dem milchigen Weiß von Frau Mond und dem Sternenhimmel. Da die Farbe Weiß aber auch für die lebensnährende Milch der Mutter steht, wird auch klar, worauf die begrifflichen Assoziationen Mondmilch und die Milchstraße am Firmament zurückzuführen sind. Weiß sind allerdings auch die Knochen, die nach dem Tod und der damit verbundenen Verwandlung aller organischen Substanz in schwarze fruchtbare Mutterhumuserde noch in der Erde zurückbleiben. Und hier sehen wir auch die Bedeutung der Farbe Schwarz. In der Schwärze des Mutterbauchs, in der Schwärze der Erdbauchhöhle, in der Schwärze der Nacht, in der dreitägigen Schwarzmondphase von Frau Mond und in der Dunkelheit des Winters geschieht die Magische Wandlung des Todes in neues Leben. Und die Schwarzen Madonnen, die auch heute noch die größte Verehrung bei den Menschen erfahren, haben genau diesen Magischen Tod in Leben Wandelaspekt, patriarchal besetzt, aber dennoch gut erkennbar, erhalten. Sehr deutlich wird das zum Beispiel bei der Schwarzen Madonna von Clermont Ferrand in der Auvergne in Frankreich. Sie steht in der schwarzen Kathedrale der Stadt mit Blick auf den Mutterberg Puy de Dôme und sie trägt bis heute den Namen „La Bonne Mort“, die „Gute Frau Tod“. (Armbruster, Kirsten, Der Muschelweg, 2014, S. 142 ff). Und wir können nun auch erkennen: Bis heute sind Reste der Religion von Gott MUTTER in unseren Traditionen verankert, denn bis heute tragen die Menschen bei Beerdigungen schwarze oder weiße Kleidung und bis heute wissen die Menschen, dass Frau Storch die Kinder bringt. Dass diese Tradition mit den Mutterfarben zusammenhängt, genauso wie der Name Marienkäfer, weiß hingegen niemand mehr.
Bleiben wir bei der Farbe Schwarz und schauen uns dazu noch paläolinguistische Zusammenhänge an, so können wir, wie bei der Mutterwurzelsilbe KALL auch die Mutterwurzelsilbe CAR oder KAR für schwarz und dunkel aus dem matrifokalen Lebenszusammenhang der Steinzeit ableiten. Harald Haarmann weist darauf hin, dass Grundfarbwörter eine große Rolle spielen bei der „Rekonstruktion des Wortschatzes grundsprachlicher Protoformen“. Für die Silbe KAR als schwarz und dunkel lässt sich dies, laut Ruhlen, folgendermaßen rekonstruieren:
Die Silbe kar für schwarz und dunkel:
nostratisch=k´arä
proto-afroasiatisch=k´r/kr
proto-indoeuropäisch=ker-/ker‑s
proto-altaisch=karä
proto-dravidisch=kar/kar
japanisch=kuroi
amerind=k´ara
(Ruhlen, 1994, S. 225 in Haarmann, Harald; 2010, S. 144)
Die Mutterwurzelsilbe Kar oder Car steht jedoch nicht nur für schwarz und dunkel, sondern vermittelt sprachlich gleich eine ganze Gott MUTTER Assoziationskette, denn auch heute noch wird die Mutterwurzelsilbe KAR in Verbindung mit Stein verwendet, zum Beispiel in dem Wort Karst, dem Wort Carrara Marmor oder auch in dem Ortsnamen Berg Karabach, wo nicht zufällig in der Azych-Höhle der bisher älteste Bärenkult (430 000 v.u.Z.) nachgewiesen wurde. Das englische care bedeutet bis heute Fürsorge, Betreuung, Pflege und auch das Französische Wort caresser für liebkosen, streicheln, hätscheln hat seinen fürsorglichen Charakter bewahrt, ebenso wie das Wort caritativ. Fürsorge ist bis heute eng verbunden mit Müttern. Tatsächlich steht die Fürsorge in besonderem Maße am Anfang der Menschwerdung, denn das sehr unreif geborene Menschenkind ist ein „Nesthocker“ mit besonders langer Reifezeit.“ Und eine weitere Bedeutung der Mutterwurzelsilbe Kar oder Car ist bis heute erhalten geblieben. Wir finden sie in dem Wort carne für Fleisch und in dem Begriff Re-in-kar-nation, was nichts anderes heißt, als Wieder-in-Fleisch-Gekleidet-Werden und auf die Wiedergeburt des Lebens durch die MUTTER hinweist und aus der Religion von Gott MUTTER stammt. (Armbruster, Kirsten, Der Jacobsweg, 2013).
Gott MUTTER steht also am Anfang und am Ende des Lebenskreislaufs. Sie, nicht er, ist das A und das O, das Alpha und das Omega des Lebens. Für die Natur-Erfahrungs-Religion von Gott MUTTER braucht es keinen Glauben und keine Indoktrinationen, wie in den heutigen verdrehten patriarchalen Theologiekonstrukten, denn schon jedes Kind kann diese naturzyklischen Zusammenhänge körperlich erleben und erfahren. Und es wird nun auch überdeutlich, dass das, was uns heute als Religion verkauft wird, keine Religionen sind, sondern patriarchal-theologische Obsessionen, die den Mann zu Gott machen sollten, um männliche Herrschaftsmacht durchzusetzen und zu legitimieren. Theologien sind daher – weil sie so widernatürlich sind – nur mit Gewalt durchsetzbar, und das ist der Grund, warum die letzten Jahrtausende das Leben an Kriegen zugrunde geht. Gewalt und Kriege sind, wie inzwischen auch einige Archäologen verstehen, nicht menschennatürlich, sondern sie sind an patriarchale Herrschaftsansprüche in Verbindung mit Besitzsicherung geknüpft. Teil des patriarchalen Besitzanspruches ist der Besitz an der Frau, welche die Natur zur Trägerin der Natürlichen Integrativen Ordnung der Mutter gemacht hat, die alle Geschlechtlichkeiten einschließt, während das dual-polare Geschlechterdenken Mann-Frau, immer hierarchisch ist, weil es auf der Hybris des Mannes beruht und die Basis des Patriarchats ist.
4. Der Wandel des Frauen- und Mutterbildes durch die Überlagerung von Religion durch Theologie
4.1. Gott MUTTER Figurinen aus dem Paläolithikum sind klein
Kommen wir noch einmal auf die Gott MUTTER Figurinen aus dem Paläolithikum zurück. Viele dieser Figurinen sind auffallend klein, gerade im Vergleich zu den Monumentalbauten des Patriarchats, wo es aus einem Konkurrenz- statt Kooperationsdenken heraus darum geht, sich in Größe gegenseitig zu übertrumpfen. Aus dem Blickwinkel einer nicht sesshaften, kooperativen, wildbeuterisch-beweglichen Ökonomie sind sie aber praktisch, da sie überall hin mitgenommen werden können. Es ist auch nicht wichtig, dass sie groß sind, weil sie in der verlässlichen Naturordnung der Mutter verwurzelt und eben nicht dem phallusinduzierten Superlativierungsdenken des Patriarchats entsprungen sind.
4.1. Gott MUTTER Figurinen aus dem Paläolithikum sind nackt
Auffallend ist auch, dass alle Gott MUTTER Figurinen nackt sind, was patriarchal-phallusfixierte Männer interpretatorisch dazu veranlasste, sie als Sexpuppen, für Männer gemachte Pornographie oder Venusfigurinen zu betiteln. Alle drei Bezeichnungen offenbaren allerdings nur die übliche Denk- und Definitionsweise des Patriarchats, Frauen als Sexobjekte, zentriert auf den Mann, zu sehen und zu benennen. Tatsache ist aber, dass wir im Paläolithikum in den Höhlenmalereien weder ityphallische Darstellungen noch irgendwelche Darstellungen eines heterosexuellen Sexual- oder Liebesaktes finden, was deutlich zeigt, dass weder der Phallus noch heterosexuelle Sexualität im Zentrum der Höhlen standen. (Link paläolithische Männerdarstellungen). Was hingegen auf Plaketten in paläolithischen Höhlen aus dem Magdalénien, in Gönnersdorf, in Deutschland gefunden wurde (Datierung: 13 500 – 11 000 v.u.Z.), sind zahlreiche Liebesszenen von Frauen untereinander, wie die obigen Abbildungen deutlich zeigen, die als die ersten lesbischen Zeichnungen der Menschheitsgeschichte interpretiert werden können und neben den meist weiblichen Handabdrücken in Höhlen ein weiterer Hinweis darauf sind, dass vor allem Frauen die paläolithischen Höhlen gestalteten.
Deshalb ist auch der heute am häufigsten verwendete Begriff Venusfigurinen für die Gott MUTTER Figurinen falsch. Denn die aus der Antike stammende, römische Venus ist zwar noch göttlich, aber sie stammt aus der Zeit des bereits tief patriarchalen, indoeuropäischen auf Vergewaltigung aufbauenden griechisch/römischen Götterpantheons. Die Göttin Venus ist längst nicht mehr Subjekt ihrer eigenen Sexualität, sondern der Inbegriff des Sexobjekts, die seine Sexualität zum Zentrum hat, eine Sexualität, die sich längst nicht mehr an der female choice der Frau orientiert, sondern an der male choice, die für sich in Anspruch nimmt: „Und bist du nicht willig, so brauch ich Gewalt“. Obwohl die Göttin Venus selbst Mutter ist – so wird überliefert, dass sie Mutter des Liebesgotts Armor ist – weist nichts mehr auf die bei den Gott MUTTER Figurinen exponiert dargestellte, geheiligte mütterliche Körperlichkeit hin, die nicht nur in den Figurinen, sondern auch in den zahlreichen Vulvaritzzeichnungen in den Höhlen des Paläolithikums verewigt ist.
Gerhard Bott hat das Verhältnis von Vulva und Phallus im historischen Wandel in seinem zweiten Band „Die Erfindung der Götter“ hervorragend analysiert, denn natürlich spielte für heterosexuell-interessierte Frauen eine freie, die female choice der Frau achtende Sexualität mit Männern natürlicherweise immer eine erotisch-lebenserfreulich bereichernde Rolle. Bott schreibt über die ursprüngliche, sakrale Prominenz der Vulva:
„Wenn also, wie die Artefakte zeigen, die Vulva als das Tor des Mutterleibs und der Geburt im Bewusstsein der paläolithischen Menschen zu einem sakralen Symbol aufgewertet wird, und zwar so, dass auch die göttliche „Große Mutter“ mit exponierter Vulva dargestellt wird, können wir uns vorstellen, welche Auswirkungen dies für die Sexualbeziehungen zwischen Frau und Mann hatte. Für den Mann bedeutete es, dass die Frau ihm das „Allerheiligste“ öffnete, aus dem alles Leben kam, auch er selbst“. Auch die Frauen, die derartige Artefakte von Göttinnen schufen, waren sich natürlich der Sakralität ihres Geschlechts bewusst. Zudem betrachteten sie sich selbst nicht als Objekt, sondern als Subjekt, dem das Recht der freien Wahl ihres Partners zusteht. Beide Sexualpartner lebten mithin in einer bemerkenswerten Vorstellungswelt: Der Mann, der aus Freude an seiner eigenen Körperlichkeit gelernt hatte, den Frauen nur durch sein Wesen, seine erotische Attraktivität zu gefallen, wird sein Geschlecht, den Phallus erfahren als „Glücksbringer“, als „Diener der Vulva“. Die Frau erlebt sich nicht als Sklavin des Phallus, sondern sie ist selbstbestimmt…“ (Bott, Gerhard, 2014, S. 84/85).
Wenn wir uns also den Phallus als hoch erotischen Diener der Vulva, als Diener des „Allerheiligsten“ vorstellen, dann ist eine Vergewaltigung der Vulva – wie sie fester Bestandteil des Kriegs des Patriarchats gegen die Frau ist, nicht denkbar: Die Negierung von Gott MUTTER, die mit der Negierung der Heiligkeit des mütterlichen Körpers einhergeht, ist also Voraussetzung für Vergewaltigung.
4.3. Gott MUTTER Figurinen aus dem Paläolithikum tragen kein Kind auf dem Arm
Eine weitere Auffälligkeit bei den Gott-MUTTER Darstellungen des Paläolithikums ist auch, dass keine einzige von ihnen ein Kind auf dem Arm trägt. Wer die Mutter ist, ist nämlich immer klar und muss nicht explizit zur Schau gestellt werden und da die Kinderaufzucht menschenartgerecht kooperativ erfolgt, kommt im matrifokalen Paläolithikum auch niemand auf die Idee einer Mutter als Einzelperson die Betreuung des von ihr geborenen Kindes allein aufzuhalsen. Isolierte Mütterlichkeit und die damit verbundene Fixierung der Mutter in der Rolle mit einem Kind auf dem Arm ist nicht Bestandteil von Matrifokalität, sondern – wie auch das Bild der Frau als Sexobjekt – zentraler Bestandteil des Patriarchats.
Dieses Rollenverständnis finden wir so niemals im Paläolithikum. Dort steht die Darstellung nackter, mütterlicher Körperlichkeit ohne ein Kind auf dem Arm für mütterliche Göttlichkeit, was wir auch daran erkennen können, dass die patriarchal okkupierte Muttergottes einerseits nie nackt, dafür aber mit Kind, respektive einem Sohn auf dem Arm, dargestellt wird, gleichzeitig aber vom Patriarchat ihrer Göttlichkeit beraubt wurde. Mütterliche Göttlichkeit und die sie spiegelnden Gott MUTTER Figurinen des Paläolithikums stehen im Gegensatz zur patriarchal-besetzten Muttergottes, die von einem ideologisch erfundenen, mit Gewalt durchgesetztem, die Natur missachtenden Vater Gott zu einem gehorsamen, passiven Gefäß degradiert wurde, ganz offensichtlich für etwas ganz Anderes.
Mütterliche Göttlichkeit steht für das der Menschenart zugrunde liegende Naturprinzip der Mutterbindung und die Gott MUTTER Figurinen verkörpern eben genau dieses Geistig-Mütterliche Prinzip der Natürlichen Mutterbindung, das Prinzip, das eben nicht wie die patriarchalen Theologien Geist von Körperlichkeit abtrennt, sondern Geist und Körper verbindet. Diese Verbindung von Geist und Körperlichkeit kann nie im Körper eines Vaters erfolgen, weil die Natur diese Anbindung nur in der Mutter vorgesehen hat. Und diese Verbindung von Geist und Körper, welche auch die Wandlung von Tod und Leben im Natürlichen Kreislauf der Natur mit einbezieht, ist das Verständnis, das ursprünglich hinter Göttlichkeit steht. Setzen wir das paläolithische Gott MUTTER Bild wieder ein, so verändert sich nicht nur das heutige Sexobjekt-Frauenbild, sondern auch das patriarchal geprägte Mutterbild, ein Mutterbild, das die Mütter als unentwegt um die Kinder und den dazu gehörenden biologischen Vater Kreisende indoktriniert hat. Die Darstellung von Müttern, die ein Kind auf dem Arm tragen – respektive einen Sohn – spiegelt nicht ein Natürliches MutterSein, sondern erweist sich bei genauerem Hinsehen als Markierung von Vaterschaft, denn es geht darum, dass die Mutter „sein“ Kind, respektive „seinen“ Sohn auf dem Arm trägt.
5. Der Verkehrung von Religion zu Theologie als Zweck des Patriarchats, um väterliche Macht zu institutionalisieren
Um dieses individuell-biologische Vaterschaftsbild zu indoktrinieren, bedarf es der Institutionalisierung der Paarungsfamilie, welche als Grundlage die sogenannte „Heiligen Hochzeit“ hat, die wir auch heute noch in der Ehe staatlich und theologisch privilegieren und die gleichzeitig das Kennzeichen des Missbrauchs der Mutter durch das Patriarchat ist.
Historisch geht die „Heilige Hochzeit“ einher mit dem Wandel der männlichen Ökonomie vom Jäger zum Hirten im Zuge der Herdendomestikation von Schafen, Ziegen und insbesondere Rindern, welche das paläolithisch-religiöse Rollenverständnis des Mannes als Schamane der Tiere in der Religion von Gott MUTTER zum HERRN der Tiere wandelt und nicht zufällig – wie wir im nächsten Kapitel unserer religionsgeschichtlichen Zeitreise aufzeigen, mit der Manifestation erster männlicher Göttlichkeit einhergeht. Diese Kulturrevolution der Heiligen Hochzeit (Bott, Gerhard, 2009, S. 163 – 208), die mit einem Wandel zu einem bilinearen Abstammungsverhältnis und der Verschleierung der Natürlichen Integrativen Ordnung der Mutter einhergeht, leitet den Prozess der Überlagerung von Religion durch Theologie ein. Dieser Prozess der Theologisierung, welcher nichts anderes ist als die Erfindung männlicher Göttlichkeit auf der Grundlage eines auf dem Gebärneid beruhenden männlichen Fruchtbarkeitswahns macht den Mann erst zu einem Hirtengott, dann zu einem Vegetations- und Wettergott und schließlich auf der Grundlage des Mythologischen Muttermords zu einem monotheistischen Vater-Schöpfer-Gott. Die Theologisierung beginnt circa 8500 v.u.Z. und hat nichts anderes als die machtpolitisch-ideologische Herrschaft des Vaters auf der Basis der Entgöttlichung der Mutter zum Ziel.
Mit der Wiederbenennung von Gott MUTTER als Inbegriff von Religion sind wir also zur Kernlüge des Patriarchats vorgedrungen und halten damit gleichzeitig auch den Schlüssel zur Beendigung des Patriarchats in der Hand, denn die gute Nachricht ist: Auch heute noch gilt für den Menschen die Natürliche Integrative Ordnung der Mutter. Das bedeutet, auch die Religion von Gott MUTTER hat – aller patriarchalen Indoktrinationen zum Trotz nichts an ihrer Gültigkeit verloren. Um den Patriarchalisierungsprozess – der auch heute noch trotz vielfacher Bestrebungen des Feminismus anhält, zu verstehen, begeben wir uns jetzt im dritten Teil der religiösen Zeitreise zu den Wurzeln des Patriarchats und der unheiligen Allianz zwischen Landwirtschaft, Theologie und Hierarchie.
Literaturverzeichnis
Armbruster, Kirsten: Gott die MUTTER; Eine Streitschrift wider den patriarchalen Monotheismus; 2013
Armbruster, Kirsten: Der Jacobsweg – Kriegspfad eines Maurentöters oder Muschelweg durch Mutterland? Die Wiederentdeckung der Wurzeln Europas – Teil 1; 2013
Armbruster, Kirsten: Der Muschelweg – Auf den Spuren von Gott der MUTTER; Die Wiederentdeckung der matrifokalen Wurzeln Europas; 2014
Armbruster, Kirsten: Matrifokalität – Mütter im Zentrum – Ein Plädoyer für die Natur – Weckruf für Zukunft, 2014
Armbruster, Kirsten: Das Muttertabu oder der Beginn von Religion; 2010
Bosinski, Gerhard: Femmes sans tête, 2011
Bott, Gerhard: Die Erfindung der Götter, Essays zur Politischen Theologie; 2009
Bott, Gerhard: Die Erfindung der Götter; Essays zur Politischen Theologie; Band 2; 2014
Fester, Richard, König. Marie E.P.; Jonas, Doris, F.; Jonas A. David: Weib und macht – Fünf Millionen Jahre Urgeschichte der Frau; 1980
Haarmann, Harald: Geschichte der Sintflut; Auf den Spuren der frühen Zivilisationen; 2005
Haarmann, Harald: Weltgeschichte der Sprachen; Von der Frühzeit des Menschen bis zur Gegenwart; 2010
Löffelmann, Monika: Der ERDSTALL; Kult – Religionsgeschichte – Überlieferung; Hefte des Arbeitskreises für Erdstallforschung; 1997